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PISANKA
N. MOLODZOV

	Besten Dank an Eberhard Braun und Herrmann Grau für die Hilfe bei der Textvorbereitung
	Pisanka (Einzahl=Pisanka; Mehrzahl=Pisanki) ist ein mit Motiven bemaltes Ei, das traditionell zu Ostern verschenkt wird.( Ostern in Russland: Bräuche und Besonderheiten) Die sind ukrainisches Brauchtum. Pisanka ist nicht bloß dekoratives Eierbemalen, sowohl die verwendeten Muster (Symbole) als auch die Farben haben hohe Aussagekraft. Nicht umsonst leitet sich Pisanka vom ukrainischen Wort pysaty (=schreiben) ab. Die Technik ist also im Wesen kein Bemalen, sondern ein (symbolhaftes) Beschriften. Die Eier werden in Wachsreserve-Technik gestaltet und sind im Grunde als Batiken anzusehen. Das Ei wird an den Stellen mit Wachs verziert, wo die Eischale nicht gefärbt werden soll. Diese Technik beruht auf dem Effekt, dass die auf der Eischale haftende Wachsschicht die Färbung verhindert. Die aufgetragenen Wachsmuster "reservieren" also die darunter befindlichen Flächen für die Farbe, die ein Ei vor der anschliessenden Färbung jeweils hat. Seit den heidnischen Zeiten wurden Eier mit einer Anzahl von Zeichen und Mustern dekoriert. Im Laufe der Zeit haben diese urbildlichen Ornamente eine christliche Bedeutung angenommen. Es gibt da so viele verschiedene Muster zu sehen, von der Pflanzenwelt, Immergrün, Rebstöcke, Heckenrosen, Weidenkätzchen und auch verschiedene Arten von Bäumen. Von der Tierwelt "bewohnt" mit Vögeln, Pferdchen, Fischen, Hirschen und Hähnchen, sowie geometrische Muster, Mäanders, Kreise, Dreiecke, Kreuze und Zierkreuze. Alle Bilder und Muster verbinden sich auf komplexe Art und Weise auf diesen kleinen Eierschalen und gestalten somit eine total organisierte Komposition. Letztendlich hat jedes Bild und jedes Muster eine präzise Bedeutung. In Folge dessen kann man aus solchen ukrainischen Eiermalereien eine Menge von Informationen gewinnen, sowie Wünsche für verschieden Feste und Anlässe ersehen. Zum Beispiel erhielt eine schwangere Frau als Geschenk ein bemaltes Osterei, das mit bestimmten Symbolen bedeckt war, welche dem neugeborenen Kind Gesundheit wünschten. Ein Mädchen schenkte einem Jungen ein Ei, um Ihre leidenschaftliche Gefühle für ihn auszudrücken, oder um eine Einladung zu einer Verabredung zu verschlüsseln. Ukrainische Eiermalereien wurden auch als ein Zeichen von Wohlstand, Glück und Freude ausgestellt. Generell werden diese Malereien als Zeichen für universelle Liebe von Brüdern und Schwestern in Christus geschaffen und an Freunde, Verwandte und Bekannte verschenkt. Traditionell werden Ostereier während der großen Fastenzeit bemalt. Die beste Zeit aber für diese kreative Arbeit war üblicher Weise der Gründonnerstag und der Karfreitag vor Ostern. Hauptsächlich war die ganze Familie an dieser ukrainischen Eiermalereien beteiligt, Kinder sowie Erwachsene wirkten daran mit, doch vermutlich hatte die Herrin des Hauses den größten Anteil daran. Das bemalte Ei wurde in der Kirche gesegnet, aber niemals gegessen. Ein geschenktes Ei wurde für mindestens ein ganzes Jahr aufbewahrt und der Platz war gewöhnlich die "Heilige Ecke“ des Hauses. Demzufolge entstanden ein Aberglaube und verschiedene Sprüche über diese Eiermalereien. Zum Beispiel ist es ein hohes Kompliment, wenn man zu hören bekommt, «Du bist so schön wie eine Pisanka». Solch ein bemaltes Ei ist nicht nur ein Andenken oder ein Miniaturvolkskunststück, sondern es ist auch mit gewaltiger Energie aufgeladen. Nur wenn der Autor in guter Stimmung war, hatte er oder sie diese Malereien ausgeführt, mit Herz und Seele, um gute Wünsche zu präsentieren, als ein Zeichen für Glück, Gesundheit und Reichtum. Pisanka war über die ganze Ukraine verbreitet und unterschiedlich von Region zu Region. In der zentralen Ukraine bevorzugten die Leute große Elemente mit nur zwei oder drei verschiedenen Farben zu malen. Gleichzeitig fand man in der Hutsul'shchina Region sehr reiche und kleine Muster und die traditionellen Farbtöne in dieser Region waren rot, gelb und schwarz. In Poltavshchina waren die meist benützten Farben grün und rot und im Süden, in der Nähe des Meeres, haben die Leute immer blau verwendet. Während der sowjetischen Ära wurde diese Kunst nur im westlichen Teil der Ukraine erhalten. Heute findet man viele berühmte Zentren mit dieser Volkskunst. Eines der bekanntesten ist Kosmach in Ivano-Frankivshchina. Zwischenzeitlich kann sich die Stadt Kolomiya an einem einzigartigen Pisanka Museum erfreuen. Das Einzige weltweit, welches speziell für das Erhalten und Ausstellen von Meisterstücken der ukrainischen Eiermalerei erbaut wurde. Es besteht eine Sammlung von über 6000 Gegenständen und das Gebäude selbst ist in der Form eines Eis gebaut. Pisankas kann man auch in Völkerkundemuseen finden. ■ Der Kreis ist das Zeichen der Vereinigung der allerhöchsten Spannung und der absoluten Ruhe, er ist ein Symbol der Ewigkeit Gottes, der Unsterblichkeit, die sich in der Natur als Kreislauf eines sich immer wiederholenden Lebens zeigt. Im christlichen Sinn ist der Kreis das Symbol des ewigen Lebens und des künftigen himmlischen Daseins und steht auch als Zeichen der unbegrenzten göttlichen Liebe. ■ Die Sonne ist als Zentrum des himmlischen Raumes die Quelle des Lichtes und des Lebens. Gott ist Licht, deswegen ist die Sonne das Symbol fuer Gott. Die dreifluegelige Darstellung der Sonne symbolisiert die Dreifaltigkeit, Vater - Sohn - heiliger Geist. Klassisch für die Eiermalkunst sind deshalb auch sich drei mal wiederholende Motive. ■ Das Kreuz ist das Zeichen der räumlichen Struktur der Welt, mit ihren vier Himmelsrichtungen, darüber hinaus ein Symbol für die vier Jahreszeiten, die vier Tageszeiten, die vier Lebensabschnitte und für die vier Temperamentstypen, nämlich Melancholiker, Choleriker, Sanguiniker und Phlegmatiker. ■ Das Zierkreuz ist das Symbol des heiligen Feuers und auch das Zeichen der Sonne. Ein einfaches Kreuz im Kreis ist das Zeichen für einen Tag, das Zierkreuz im Kreis das Symbol für ein Jahr. Das Pisanka mit Zierkreuz ist ein Zeichen für Güte und es schützt vor Unglück und Gefahr. Solche Pisankas wurden gewöhnlich an kinderlose oder schwangere Frauen geschenkt als ein Zeichen der Hoffnung. ■ Das Dreieck ist ein Zeichen mit mehreren Bedeutungen. Im herkömmlichen Sinn steht es für die menschliche und besonders für die mütterliche Kraft. Auch Regenwolken werden in Form von Dreiecken dargestellt, sie müssen allerdings dann Striche (als Tropfen) haben. Wenn es neben solchen Dreiecken Punkte (für Körner) gibt, hat dies die Bedeutung eines Gebetes um Wasser als Grundlage der Fruchtbarkeit. Nach Annahme des Christentums wird das Dreieckmotiv auch für die Dreifaltigkeit eingesetzt. Eines der beliebten Dreieckmotive in der Eiermalerei heißt „40 Dreiecke“. Die „40“ ist eine magische Zahl, sie steht z.B. auch für die 40-tägige Fastenzeit vor Ostern, in der die Reinigung des Körpers und der Seele durchgeführt wird. ■ Der Baum des Lebens steht als Symbol, näher zum Himmel zu kommen. Er stellt auch die Familienmitglieder, Vater, Mutter und Kinder dar und vereinigt darüber hinaus Ewigkeit und Kurzfristigkeit, Standhaftigkeit und Ruhelosigkeit, Kraft und Schwäche, oben und unten als Zeichen der endlosen Wiedergeburt der Natur. ■ Der Rechenist auch ein Symbol für Regen, aber auch für oberes Wasser (vom Himmel) und für unteres Wasser (aus der Erde). Die Eiermalerei will mit diesem Symbol Regen als Zeichen des kommenden Retters oder des Evangeliums darstellen. ■ Der achtstrahlige Stern ist das Zeichen der Erwartung. Als Morgenstern wurde die Ankunft der Sonne, des Tageslichts symbolisiert. Aus christlicher Sicht steht der Morgenstern auch für Maria und die Erwartung von Christus. ■ Hirsch oder Pferd ist mit dem Kult der Sonne verbunden. Im heidnischen Glauben befindet sich die Sonne am Tag am Himmel, aber in der Nacht unter der Erde. Sie wird dort vom Gott der Erde wie gefangen gehalten, bevor nicht der Hirsch kommt, sie befreit, zwischen seinen Hörnern trägt und wieder an den Himmel befördert. Weil der Hirsch den Weg von Ost nach West kannte glaubte man, dass er auch die Verstorbenen in das Reich der Toten, das im Westen lag, begleitet. Der Hirsch war eine magische Kraft, die sowohl das Reich des Lebens, als auch des Todes kannte. Pferd, als auch Hirsch, wurden der Sonne wegen mit dauernder Kraft verbunden. ■ Mäander, eine ununterbrochene wellenartige oder Zick-Zack Linie, als ein Zeichen für Wasser, das Mittel für Reinigung, Erfrischung, Erneuerung und Fruchtbarkeit. Dieses Symbol war ein Schutz vor bösen Kräften, die, wenn sie einmal in diesem ununterbrochenen Kreislauf gefangen waren, nicht mehr freikommen und ihre Macht ausüben konnten. Der Überlieferung nach hat man drei, fünf oder sieben solcher Pisankas über der Haustüre aufgehängt, um jeden Besucher von den bösen Kräften zu reinigen. Mit einem Mäander, einem «S», oder einer Spirale, hat man auch die Schlange dargestellt, die als Symbol für Klugheit, Unsterblichkeit und heilige Kraft steht. ■ Der Fisch ist ein Zeichen für Wasser, also auch für Leben. Im christlichen Sinn steht er für Glauben, Evangelium und neues Leben unter Christi Lehre. ■ Der Zweig steht als Symbol für Pflanzen, welche man für Wohlstand und Glück einer Familie und für die ewige Gottesliebe angesehen hat. ■ Unterteilte Quadrate und Romben stehen für Zeitabschnitte. Ein kleines Quadrat geteilt durch vier stellt einen Monat (vier Wochen) dar, ein großes viergeteiltes Quadrat zeigt ein Jahr (vier Jahreszeiten). Mädchen schenkten zum Beispiel selbst gemalte Pisankas an einen Jungen mit dem Wunsch, ein solange währendes glückliches Leben zu haben, wie Quadrate auf den Eiern aufgemalt sind. Da auch diese Quadrate in einem ununterbrochenen Band aufgemalt waren, bedeutete das soviel wie unbegrenzt. ■ Gitter stellen ein uraltes Zeichen für Himmel und den damit verbundenen Schutz dar.
	Textauszüge und Bilder stammen von der pysanka.nm.ru Symbolbeschreibung und die Zeichnungen aus dem Buch von Vera Manko «Óêðàiíñüêà íàðîäíà ïèñàíêà»